Juan
de los Muertos, ein Independent
Zombie-Film aus Kuba schafft es in deutsche Kinos. Alejandro Brugués
gelingt eine makabere Sozialsatire in einem Land im Umbruch.
Camila (Andrea Duro) rettet Juan (Alexis D. de
Villegas) nicht nur vor Untoten, manchmal ist beim ihm einfach nur der Kühlschrank leer. http://www.aceshowbiz.com/images/still/juan-of-the-dead04.jpg |
Ein kommerzieller Splatter-Film aus Kuba kommt unerwartet. Doch wie der Hauptdarsteller Alexis Díaz de Villegas mir versichert, bietet dieses Genre oder dessen Parodie einen passenden Vorwand und der Zombi eine geeignete Metapher um eine bestimmte Wahrnehmung der Realität zu zeigen. Die Verweise auf ältere kubanische Filme sprechen ebenfalls für eine Parodie. Ob die Genreparodie von Splatter-Filmen selbst auch schon ein Genre darstellt, ist seit Shaun of the Dead (2004) für den Regisseur Alejandro Brugués eine Tatsache. Doch es darf gemutmaßt werden, dass Brugués hier sogar gegenüber den US-Genre-Parodien etwas Neues hinzufügt, indem er mit intelligenten Anspielungen - etwa auf Alicia en el país de las maravillas - das Genre auf Kuba anwendet. Folgende Konventionen der US-Genre-Parodie sind enthalten: Ein Gruppe von Anti-Helden, die jedoch keine College-Absolventen sind, dafür aber Kleinkrimminelle und bunt gemischt: Der feminine "China" (Abelardo Jiménez), der schwarze Bodybuilder (Eliecer Ramírez), der attraktive junge Blondschopf Vladi (Andros Perugorría) und der derbe und tollpatschige Lázaro (Jorge Molina) stehen dem Mulatten Juan (Alexis Diaz de Villegas) zur Seite. Juan erfährt zudem Hilfe von Camila (Andrea Duro), der einzigen weiblichen Schlüsselfigur im Film, Juans aus Spanien angereisten Tochter, die wie eine Mischung aus Lara Croft und Alice aus der Resident Evil Reihe wirkt. Gemeinsam ergeben sie die Parodie bekannter Action-Super-Helden.
Der Zombi als Metapher
T. Gutierrez Alea, Memorias del subdesarrollo, 1968 |
http://www.aceshowbiz.com/still/00007801/juan-of-the-dead01.html |
Diese Metapher wird in Juan of the Dead in Szene gesetzt, allerdings unter anderen Vorzeichen. Von offizieller Seite werden die Untoten zunächst als US-gestützte Dissidenten bezeichnet, doch nach dem Betrachten der Verwandlung eines alten Mannes in einen aggressiven Untoten, der auf die lebendigen Verwandten losgeht, erkennen Juan und seine Kollegen die Situation und werden zu Dienstleistern die beim "Umbringen ihrer (zombifizierten) Liebsten" helfen und dabei wissen wie man sich gut vermarktet. Doch auch in dieser außergewöhnlichen Situation tritt bald Alltag ein. Es gibt Momente in denen in Mitten des Chaos Zweifel an der Außergewöhnlichkeit der Ereignisse aufkommen. Diese Untoten scheinen gelegentlich wie halbwegs normale Menschen zu sein, die etwas behäbig durch die Straßen irren, aber immer wieder von Aggression gepackt übereinander herfallen und deshalb schwer von den Lebendigen zu unterscheiden sind. Diese unwirkliche Situation erscheint von hoch oben beim Blick durch ein Teleskop als sei sie normal. Diese kurze Einstellung verweist auf eine Sequenz in Memorias del Subdesarrollo, in der der Zuschauer die Kommentare Sergios beim Blick über La Habana kritisch hinterfragen soll. Doch im Gegensatz zum bourgeoisen Sergio, hält den eher gemeinen Juan eine unverbesserliche Heimatverbundenheit auf der Insel. Auf die Frage, ob Juan sich der bestehenden Situation auf der Insel gewachsen sieht und nicht vielleicht doch lieber nach Miami paddeln wolle, drückt Juan seine Zuversicht im deutschen Trailer so aus: "Warum sollte ich? Ich hab' hier schon 'ne Menge durchgestanden. Die Massenflucht über Mariel, die Intervention in Angola. Jetzt kann nichts Schlimmes mehr kommen. Wir leben im Paradies und nichts wird das ändern." Im spanischsprachigen Trailer heißt es: "Ich bin ein Überlebender. Ich habe Mariel überlebt, die Sonderperiode und die Sache die danach kam. Das hier ist das Paradies und nichts wird es ändern." Die Bilder, die diese Sätze begleiten, zeigen ihn und seinen Freund auf den Malecón zu paddelnd, das Kapitol in La Habana, einen trinkenden Juan, der in der nächsten Einstellung von einer Brüstung springt und dahinter verschwindet und schließlich beim Fischen auf dem Meer einen Zombie angelt. In der spanischsprachigen Filmfassung stehen diese Aussagen in anderem Kontext und am Ende und erst dort mit dem Einschub: "[...] ich habe Angola überlebt. Ich habe die Sonderperiode überlebt und die Sache die danach kam. Egal. Die Leute werden mich sehen und sich anschließen um zu helfen. Hier geht's mir gut. Das hier gefällt mir." Diese Aussage steht der Camilas zu Beginn des Films gegenüber: "Nein Juan, Du bist wie dieses Land hier. Es geschehen viele Dinge, aber Du änderst dich nie. Übrigens ich gehe nach Miami. Die Dinge in Spanien stehen schlecht und Mama hat entschieden, dass wir bei Null anfangen." Letztendlich geht es ums Überleben, sei es als seelenloser Zombie oder als unverbesserlicher Held des Alltags oder eben woanders, bleibt jedem selbst überlassen.
Eine spanisch-mexikanisch-kubanische Koproduktion mit Quoten
Camila, die eigentlich mit einer
Kubanerin mit spanischem Pass besetzt werden sollte, musste
kurzfristig umbesetzt werden. Die spanische Schauspielerin Andrea
Duro, die in Spanien aus dem Fernsehen bekannt ist, konnte nicht
kurzfristig den kubanischen Akzent erlernen und wirkt in der
Originalfassung wie hinzugefügt und noch distanzierter gegenüber
ihrem Vater als vorgesehen. Kleine Änderungen im Drehbuch erlaubten
es jedoch, sie als Juans Tochter glaubhaft zu machen. Ihre Rolle soll
der ihres vom rechten Weg abgekommenen Vaters entgegenstehen. Sie soll ihn auf den Boden der
Tatsachen zurückholen, seine untugendhafte Lebensweise in Frage
stellen und an sein Gewissen appellieren. Doch beim ersten Betrachten
des Films scheint die Figur Camila angesichts so vieler Anspielungen
auf kubanische Filme einen nicht ganz ungewollten Einblick in die
Produktionsbedingungen des Films zu geben. Die Koproduktion
verpflichtete dazu, dass 70% des beteiligten Personals Spanier sein
mussten. Internationale Koproduktionen erfordern Kompromisse und so
kommt kurz der Gedanke auf, Camila könne eine ironische Anspielung
auf nun notwendige nicht-kubanische Charaktere sein, wie etwa jenes
mit Peter Lohmeyer besetzten Otto Meier (alias Bjorn) in der
deutsch-spanisch-kubanischen Koproduktion Der Cuba Coup (2000)
(Hacerse el sueco). Doch der Vergleich hinkt und der Gedanke ist kopflos.
Ein Independent-Film unterstützt vom staatlichen Filminstitut ICAIC
Viel wichtiger ist die Tatsache,
dass es sich hierbei um den ersten kubanischen Independent-Film
handelt. Für die eingefleischten Fans des kommerziellen
Splatter-Genres gibt es jedoch eine Enttäuschung: Alejandro Brugués
wird vorerst keine Fortsetzung von Juan of the Dead drehen.
Für alle anderen Fans besteht Hoffnung: Alexis Díaz de Villegas ist
sicher, dass dieser Vorstoß die Independent-Filmproduktion weiter
anregen wird. Alexis, der vorwiegend Theaterschauspieler ist und
Schauspielerei am Instituto Superior de Arte unterrichtet, hatte Spaß
an seiner Rolle in Juan of the Dead: „Eigentlich macht man
in Kuba gar nicht so viele Filme, es könnten viel mehr sein und es
ist auch für einen Theaterschauspieler wie mich eine Freude in
Filmen mitzuspielen. Selbst in Abschlussarbeiten der Filmhochschule.“
Auf die Frage ob das Drehbuch zensiert wurde, meint er: „Es gab
Stellen, aber es war nichts Wesentliches.“ Dass man darauf gefasst
war, ist, wenn man mit der auf Werbetafeln so oft beschwörten
"Vaterlandsliebe oder Tod-Formel" abrechnet, kein Wunder: „Patria o
Muerte,“ Sehenswert!
http://www.juanofthedeadmovie.com
-->DVD
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