domingo, 22 de mayo de 2011

Hier Juan of the Dead, wie kann ich helfen?


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Juan de los Muertos, ein Independent Zombie-Film aus Kuba schafft es in deutsche Kinos. Alejandro Brugués gelingt eine makabere Sozialsatire in einem Land im Umbruch.

Camila (Andrea Duro) rettet Juan (Alexis D. de Villegas) nicht nur vor
Untoten, manchmal ist beim ihm einfach nur der Kühlschrank leer.

http://www.aceshowbiz.com/images/still/juan-of-the-dead04.jpg
Von Felix E. Hück

Ein kommerzieller Splatter-Film aus Kuba kommt unerwartet. Doch wie der Hauptdarsteller Alexis Díaz de Villegas mir versichert, bietet dieses Genre oder dessen Parodie einen passenden Vorwand und der Zombi eine geeignete Metapher um eine bestimmte Wahrnehmung der Realität zu zeigen. Die Verweise auf ältere kubanische Filme sprechen ebenfalls für eine Parodie. Ob die Genreparodie von Splatter-Filmen selbst auch schon ein Genre darstellt, ist seit Shaun of the Dead (2004) für den Regisseur Alejandro Brugués eine Tatsache. Doch es darf gemutmaßt werden, dass Brugués hier sogar gegenüber den US-Genre-Parodien etwas Neues hinzufügt, indem er mit intelligenten Anspielungen - etwa auf Alicia en el país de las maravillas - das Genre auf Kuba anwendet. Folgende Konventionen der US-Genre-Parodie sind enthalten: Ein Gruppe von Anti-Helden, die jedoch keine College-Absolventen sind, dafür aber Kleinkrimminelle und bunt gemischt: Der feminine "China" (Abelardo Jiménez), der schwarze Bodybuilder (Eliecer Ramírez), der attraktive junge Blondschopf Vladi (Andros Perugorría) und der derbe und tollpatschige Lázaro (Jorge Molina) stehen dem Mulatten Juan (Alexis Diaz de Villegas) zur Seite. Juan erfährt zudem Hilfe von Camila (Andrea Duro), der einzigen weiblichen Schlüsselfigur im Film, Juans aus Spanien angereisten Tochter, die wie eine Mischung aus Lara Croft und Alice aus der Resident Evil Reihe wirkt. Gemeinsam ergeben sie die Parodie bekannter Action-Super-Helden.

Der Zombi als Metapher
T. Gutierrez Alea, Memorias del subdesarrollo, 1968
Das Leben verarmter Menschen an einem Ort an dem andere Gesetze gelten, mit dem Umherirren jener Untoten zu vergleichen, findet sich im kubanischen Film bereits in einem Dialog jenes Klassikers von Tomás Gutierrez Alea Memorias del Subdesarrollo (1968). Während Sergio, der Protagonist des Films, dessen Gedankengänge den Film tragen, mit seinem besten Freund Pablo im Auto fährt, erklärt Pablo am Beispiel der frühen Unabhängigkeit Haitis, weshalb er von einer sozialistischen Revolution nicht hält: „Diese Leute sagen, sie machen die erste sozialistische Revolution Amerikas. Na und? Sie werden zurück in die Barbarei fallen. Sie werden Hunger leiden. Wie die Haitianer. Die haben Napoleon besiegt, und? Sie besaßen die erste Zuckerrohrindustrie der Welt vor der Revolution und schau sie dir jetzt an: Barfuß und in Zombies verwandelt.“
http://www.aceshowbiz.com/still/00007801/juan-of-the-dead01.html

Diese Metapher wird in Juan of the Dead in Szene gesetzt, allerdings unter anderen Vorzeichen. Von offizieller Seite werden die Untoten zunächst als US-gestützte Dissidenten bezeichnet, doch nach dem Betrachten der Verwandlung eines alten Mannes in einen aggressiven Untoten, der auf die lebendigen Verwandten losgeht, erkennen Juan und seine Kollegen die Situation und werden zu Dienstleistern die beim "Umbringen ihrer (zombifizierten) Liebsten" helfen und dabei wissen wie man sich gut vermarktet. Doch auch in dieser außergewöhnlichen Situation tritt bald Alltag ein. Es gibt Momente in denen in Mitten des Chaos Zweifel an der Außergewöhnlichkeit der Ereignisse aufkommen. Diese Untoten scheinen gelegentlich wie halbwegs normale Menschen zu sein, die etwas behäbig durch die Straßen irren, aber immer wieder von Aggression gepackt übereinander herfallen und deshalb schwer von den Lebendigen zu unterscheiden sind. Diese unwirkliche Situation erscheint von hoch oben beim Blick durch ein Teleskop als sei sie normal. Diese kurze Einstellung verweist auf eine Sequenz in Memorias del Subdesarrollo, in der der Zuschauer die Kommentare Sergios beim Blick über La Habana kritisch hinterfragen soll. Doch im Gegensatz zum bourgeoisen Sergio, hält den eher gemeinen Juan eine unverbesserliche Heimatverbundenheit auf der Insel. Auf die Frage, ob Juan sich der bestehenden Situation auf der Insel gewachsen sieht und nicht vielleicht doch lieber nach Miami paddeln wolle, drückt Juan seine Zuversicht im deutschen Trailer so aus: "Warum sollte ich? Ich hab' hier schon 'ne Menge durchgestanden. Die Massenflucht über Mariel, die Intervention in Angola. Jetzt kann nichts Schlimmes mehr kommen. Wir leben im Paradies und nichts wird das ändern." Im spanischsprachigen Trailer heißt es: "Ich bin ein Überlebender. Ich habe Mariel überlebt, die Sonderperiode und die Sache die danach kam. Das hier ist das Paradies und nichts wird es ändern." Die Bilder, die diese Sätze begleiten, zeigen ihn und seinen Freund auf den Malecón zu paddelnd, das Kapitol in La Habana, einen trinkenden Juan, der in der nächsten Einstellung von einer Brüstung springt und dahinter verschwindet und schließlich beim Fischen auf dem Meer einen Zombie angelt. In der spanischsprachigen Filmfassung stehen diese Aussagen in anderem Kontext und am Ende und erst dort mit dem Einschub: "[...] ich habe Angola überlebt. Ich habe die Sonderperiode überlebt und die Sache die danach kam. Egal. Die Leute werden mich sehen und sich anschließen um zu helfen. Hier geht's mir gut. Das hier gefällt mir." Diese Aussage steht der Camilas zu Beginn des Films gegenüber: "Nein Juan, Du bist wie dieses Land hier. Es geschehen viele Dinge, aber Du änderst dich nie. Übrigens ich gehe nach Miami. Die Dinge in Spanien stehen schlecht und Mama hat entschieden, dass wir bei Null anfangen." Letztendlich geht es ums Überleben, sei es als seelenloser Zombie oder als unverbesserlicher Held des Alltags oder eben woanders, bleibt jedem selbst überlassen.


Eine spanisch-mexikanisch-kubanische Koproduktion mit Quoten
Camila, die eigentlich mit einer Kubanerin mit spanischem Pass besetzt werden sollte, musste kurzfristig umbesetzt werden. Die spanische Schauspielerin Andrea Duro, die in Spanien aus dem Fernsehen bekannt ist, konnte nicht kurzfristig den kubanischen Akzent erlernen und wirkt in der Originalfassung wie hinzugefügt und noch distanzierter gegenüber ihrem Vater als vorgesehen. Kleine Änderungen im Drehbuch erlaubten es jedoch, sie als Juans Tochter glaubhaft zu machen. Ihre Rolle soll der ihres vom rechten Weg abgekommenen Vaters entgegenstehen. Sie soll ihn auf den Boden der Tatsachen zurückholen, seine untugendhafte Lebensweise in Frage stellen und an sein Gewissen appellieren. Doch beim ersten Betrachten des Films scheint die Figur Camila angesichts so vieler Anspielungen auf kubanische Filme einen nicht ganz ungewollten Einblick in die Produktionsbedingungen des Films zu geben. Die Koproduktion verpflichtete dazu, dass 70% des beteiligten Personals Spanier sein mussten. Internationale Koproduktionen erfordern Kompromisse und so kommt kurz der Gedanke auf, Camila könne eine ironische Anspielung auf nun notwendige nicht-kubanische Charaktere sein, wie etwa jenes mit Peter Lohmeyer besetzten Otto Meier (alias Bjorn) in der deutsch-spanisch-kubanischen Koproduktion Der Cuba Coup (2000) (Hacerse el sueco). Doch der Vergleich hinkt und der Gedanke ist kopflos.

Ein Independent-Film unterstützt vom staatlichen Filminstitut ICAIC
Viel wichtiger ist die Tatsache, dass es sich hierbei um den ersten kubanischen Independent-Film handelt. Für die eingefleischten Fans des kommerziellen Splatter-Genres gibt es jedoch eine Enttäuschung: Alejandro Brugués wird vorerst keine Fortsetzung von Juan of the Dead drehen. Für alle anderen Fans besteht Hoffnung: Alexis Díaz de Villegas ist sicher, dass dieser Vorstoß die Independent-Filmproduktion weiter anregen wird. Alexis, der vorwiegend Theaterschauspieler ist und Schauspielerei am Instituto Superior de Arte unterrichtet, hatte Spaß an seiner Rolle in Juan of the Dead: „Eigentlich macht man in Kuba gar nicht so viele Filme, es könnten viel mehr sein und es ist auch für einen Theaterschauspieler wie mich eine Freude in Filmen mitzuspielen. Selbst in Abschlussarbeiten der Filmhochschule.“ Auf die Frage ob das Drehbuch zensiert wurde, meint er: „Es gab Stellen, aber es war nichts Wesentliches.“ Dass man darauf gefasst war, ist, wenn man mit der auf Werbetafeln so oft beschwörten "Vaterlandsliebe oder Tod-Formel" abrechnet, kein Wunder: „Patria o Muerte,“ Sehenswert!

http://www.juanofthedeadmovie.com 
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